Unter Fachleuten hat das slowenische Gebiet rund um die Julischen Alpen längst den Ruf, eine Modellregion für nachhaltigen Tourismus zu sein – ein mustergültiges ÖV-Angebot inklusive. Das Gebiet ist aber auch ganz einfach eine perfekte Kulisse für ÖV-Fotografie…
Ein Bericht von Jonas Schaufelberger (Text und Fotos).
Bahnfans ist sie natürlich ein Begriff: Die sogenannte «Wocheinerbahn», welche als Teil einer früheren österreichischen Hauptachse seit 1906 Jesenice in Slowenien mit Trieste in Italien verbindet. Dass die Bahnlinie ihren deutschen Namen von einer Talschaft hat, welche die Bahn nur auf rund 20 Kilometern durchfährt – und nicht etwa vom weit längeren Tal der Soča – ist hingegen eher in die Kategorie «Fun Fact» einzuordnen: Willkommen in Bohinj – zu Deutsch eben: Wochein.
Das Tal Bohinj, gleichzeitig eine Gemeinde, ist zusammen mit dem Soča-Tal auf der Südseite des Scheiteltunnels Teil des Triglav-Nationalparks rund um den höchsten Gipfel des kleinen Alpenlandes, was für grosse Touristenströme sorgt. Fast in jedem Gebäude ist auch eine Ferienwohnung eingebaut, grosse Campingplätze säumen die Dorfränder, und an schönen Sommertagen stauen sich die Autos auf den Strassen ab Ljubljana und Bled. Der starke Verkehr führt seit langen Jahren zu Ärger vor Ort, und so war es für die örtliche Gemeinde- und Tourismusverwaltung naheliegend, hier anzusetzen. Auf diese Weise soll ein weiterer Schritt hin zum nachhaltigen Tourismus gemacht werden, den sich die Region «Julische Alpen» zum Ziel gesetzt hat.
Neue Angebote für Touristen…
Das reguläre Bus-Angebot im Tal wird von Arriva betrieben, welche 2015 die in Kranj ansässige Alpetour übernommen hat. Etwa stündlich fahren Busse von Ljubljana über Kranj, Radovljica und Bled nach Bohinjska Bistrica und von dort weiter über Ribčev Laz am Ufer des Wocheiner Sees bis Ukanc. Eine zweite Linie bedient das sogenannte «obere Tal» im Rundkurs Bohinjska Bistrica–Ribčev Laz–Bohinjska Češnjica–Bohinjska Bistrica. Beide Linien werden durch den slowenischen Staat bestellt und subventioniert. An Schultagen wird ausserdem eine Schülerlinie nach Gorjuše am Rande des Pokljuka-Gebietes angeboten, welche durch die Gemeinde bestellt und finanziert wird.
Im Jahr 2014 wurde erstmals ein eigenständiges Sommer-Angebot durch die Tourismusregion eingeführt: Die Hop-On-Hop-Off-Linie ins Pokljuka-Gebiet erschloss dieses Hochland, bisher nur an Schultagen mit dem Linienbus erreichbar, für unmotorisierte Feriengäste (und ermöglichte den Gästen mit Privatauto auch lineare Wanderungen). Bis 2017 wurde der Bus als klassisches kostenpflichtiges Angebot geführt, wie auch bestimmte touristische Angebote von Arriva.
…und ein neues Tarifmodell.
Einen Schritt weiter ging man 2018: Im Rahmen eines gesamtheitlichen Mobilitätskonzepts wurden erstmals kostenlose Buslinien angeboten, während Parkplätze zunehmend aktiv bewirtschaftet wurden. Ein Halbstundentakt zwischen Bohinjska Bistrica und dem See wurde durch eine neue Buslinie mit Kleinbussen ab Srednja Vas zur Alpsiedlung Blato im 90-Minuten-Takt ergänzt. Ein zusätzlicher Kurzstrecken-Shuttle verband den grossen Parkplatz beim Hotel Kristal mit dem See und sollte den Parkdruck auf die Strassen rund um den See reduzieren. Der Bus nach Pokljuka wurde ab jetzt ebenfalls gratis angeboten; die Fahrten zum Savica-Wasserfall hingegen sind – mit Ausnahme eines Versuchs im 2020 – weiterhin ein reguläres Arriva-Angebot mit Linientarif.
Das Gratis-Angebot wurde fortan jährlich ausgebaut; die bereits 2003 eingeführte «Julian Alps Card», eine Gästekarte mit ÖV-Einbezug, ermöglicht es zudem, gegen einen sehr fairen Preis auch die regulären Buslinien im Gebiet kostenlos nutzen zu können.
Zusätzlich zur Hauptachse Bistrica–Wocheiner See wurden in den folgenden Jahren zusätzliche Angebote eingeführt; 2019 entlang des Sees bis Ukanc und zur Passhöhe Soriska Planina; 2020 durch das Obere Tal (gleichzeitig wurde auch der Pokljuka-Bus neu geführt) und als Rufbus ins Voje-Tal; 2021 nach nach Vogar. Ebenfalls 2021 wurden die Verbindungen zur Kreuzung Vogar/Blato, die ein beliebter Ausgangspunkt für Wanderungen ist, massiv ausgebaut und die Benutzungsgebühr für die Bergstrassen in dieses Gebiet erhöht. Seit 2022 fährt auf Voranmeldung der Van für die Linien ins Voje-Tal und nach Vogar auch nach Uskovnica und seit 2023 ist die Kreuzung Vogar/Blato direkt an den Bahnhof Bohinjska Bistrica angebunden.
Damit dürfte das Netz wohl die maximale Ausdehnung erreicht haben; es gibt kaum noch weitere Strassenabschnitte, die für Busse befahrbar sind, und das System droht Opfer seines eigenen Erfolgs zu werden.
Dringend gesucht: Busse und Personal
Denn die Organisation der Angebote führt bei den zuständigen Behörden zunehmend zu Sorgenfalten. Einerseits ist es aufgrund des Angebotsumfangs notwendig, die Leistungen jährlich auszuschreiben, was einen erheblichen administrativen Aufwand bedeutet. Andererseits kämpfen die ÖV-Betriebe zunehmend mit Personalmangel und reichen kaum noch Offerten für saisonale Angebote ein. Arriva, Nachfolger der lokal verankerten Alpetour und internationaler ÖV-Konzern mit grosser Erfahrung im Linien- und Gelegenheitsverkehr, konnte zunehmend nur noch einzelne Leistungen übernehmen und hat schliesslich an der Ausschreibung für die Saison 2023 gar nicht mehr teilgenommen. Das Unternehmen kämpft inzwischen damit, genug Personal für die regulären Linien zu gewinnen.
Doch auch die kleinen privaten Busunternehmen sind nicht mehr ohne Weiteres bereit, in der lukrativen Reisesaison Personal und Fahrzeuge für öffentliche Leistungen zu stellen. Die Gemeinde und Tourismusorganisation als Bestellerin der Gratis-Busse spüren dies vor allem über den Preis, der jährlich steigt. Inzwischen ist die finanzielle Belastungsgrenze erreicht, und so dürfte die Geschichte der Gratisbusse mit der Saison 2023 zu Ende sein; ab 2024 wird man für die Lokalbusse voraussichtlich wieder bezahlen müssen. Die Tourismusbehörden erhoffen sich dadurch auch mehr Nutzer für die Julian Alps Card, welche weiterhin eine kostenlose Nutzung der Angebote ermöglichen soll. Die Gästekarte konnte sich bisher kaum durchsetzen, wohl auch wegen der sehr kleinteiligen Beherbergungsstruktur mit vielen Privatunterkünften, welche eine aktive Promotion erschweren – und wegen der ohnehin kostenlosen ÖV-Angebote. Ob die Rechnung aufgehen wird, muss sich erst zeigen; wie die Angebotsentwicklung der letzten Jahre ist auch dies ein Experiment, das im stark reglementierten Schweizer ÖV-System kaum noch möglich wäre. Immerhin zeigt die Region damit, dass man auch in einem stark individualisierten Tourismusmodell im Sinne der Nachhaltigkeit Fahrgastströme bündeln und Busse auslasten kann – und wurde dafür mehrfach mit Fachpreisen belohnt.
…an Urška Smukavec von Turizem Bohinj für die zur Verfügung gestellten Grundlagen und die fachliche Korrektur.
- Website zum Verkehrssystem in Bohinj: Promet Bohinj
- Informationen zum ÖV in der Region Julische Alpen: Julian Alps Timetable
Jonas Schaufelberger
Jonas Schaufelberger ist Mitgründer von ÖV Panorama und wohnt in Rapperswil-Jona. Er beschäftigt sich beruflich und in der Freizeit mit dem öffentlichen Verkehr und dokumentiert mit seiner Website www.postautohalter.info seit 2009 Fahrzeuge und Linien des "gelben Riesen". Daneben liegt sein Schwerpunkt auf dem Überland-Busverkehr in der Schweiz, wobei er (wie auch bei seinen gelegentlichen fotografischen Exkursen nach Nord- und Osteuropa) stets per ÖV oder zu Fuss unterwegs ist.