Die fast zeitgleiche Ankündigung von Scania und Volvo, Anfang 2024 den Bau von Karosserien in den eigenen Werken in Polen zu beenden, bedeutet das Ende einer 30-jährigen Geschichte mit auffällig vielen Parallelen zwischen den beiden schwedischen Busbauern. Wir blicken zurück auf die Fahrzeugvielfalt – und deren ebenso vielfältige Einsatzgebiete.
Ein Bericht von Michel Bucheli, Sandro Flückiger, Silvan Pleisch, Julian Ryf und Jonas Schaufelberger.
Die Anfänge
Vor mehr als 100 Jahren, im Jahr 1911, entstand in Schweden der Ursprung der heutigen Scania AB, als die Maschinenfabrik Scania aus Malmö (Scania bezeichnet auf Lateinisch die Region Schonen ganz im Süden Schwedens) und der Fahrzeugbauer Vabis aus Södertälje (südlich von Stockholm) zur Firma Scania-Vabis fusionierten. Die Firma war von Beginn an auch Bushersteller, wobei Chassis in Malmö und Motoren sowie Karosserien in Södertälje hergestellt wurden. Bis 1932 und ab den 1950er-Jahren (dazwischen wurden nur Motoren und Chassis gebaut) wurden vor allem für den skandinavischen Markt auch Fahrzeuge mit eigenen Karosserien geliefert. Die vergleichsweise wenigen Busse in Mitteleuropa wurden dagegen in der Regel von lokalen Karosserieherstellern aufgebaut. In den 1960er-Jahren wurden die Bus-Aktivitäten nach Katrineholm verlegt, die Firma hiess inzwischen nur noch Scania.
Mit der Gründung der Firma Volvo in Göteborg im Jahr 1926 entstand 15 Jahre nach Scania der langfristig grösste Konkurrent auf den nordischen Märkten. Ab 1928 wurden in Göteborg erste Busse auf Lastwagenchassis gebaut, seit Mitte der 1930er-Jahre werden auch «echte» Bus-Chassis hergestellt. Anders als bei Scania überliess man den Bau von Karosserien auch für die skandinavischen Märkte den entsprechenden Spezialisten. Im Jahr 1968 wurde die Bus-Sparte innerhalb des Konzerns in die eigene Volvo Bussar AB ausgegliedert, die 1977 in Borås ein neues Produktionswerk für Bus-Chassis eröffnete. In Zusammenarbeit mit dem schweizerischen Carrossier Ramseier&Jenzer wurde Mitte der 1980er-Jahre erstmals ein integral konstruierter Reisebus vom Typ C10M lanciert. Die Produktion endete jedoch nach rund 80 Einheiten bereits wieder.
Karosseriebauer werden aufgekauft
Ab den 1980er-Jahren begann Volvo, mehr oder weniger gezielt, Aufbauhersteller aufzukaufen, welche dann vorwiegend für Volvo produzierten. Die Werke wurden teilweise bereits nach wenigen Jahren wieder geschlossen:
- 1981: Säffle Karosseri AB, Säffle, Schweden; Schliessung 2013
- 1988: Leyland Bus, United Kingdom; Schliessung 1993
- 1990: Steyr Bus GmbH, Steyr, Österreich; Schliessung 1999
- 1994: Aabenraa Karrosseri A/S, Aabenraa, Dänemark; Schliessung 2004
- 1994: Drögmöller Karosserien GmbH & Co. KG, Heilbronn, Deutschland; Schliessung 2005
- 1998: Carrus Oy, Finnland; Werk in Vantaa 2001 geschlossen, Werk in Tampere 2008 geschlossen, Werk in Lieto 2008 von finnischen Investoren übernommen
Damit konnte Volvo nun vermehrt komplette Busse verkaufen, wobei jedoch die Lieferung von Chassis ohne Aufbauten sowohl an die unabhängigen skandinavischen Aufbauhersteller als auch in den Rest der Welt weiterging.
Im Gegensatz zu Volvo baute Scania bereits ab den 1950er-Jahren eigene Busaufbauten, ab den 1960er-Jahren in einem neuen Werk in Katrineholm. Trotzdem blieb Scania bezüglich der Integration von Karosserieherstellern ebenfalls nicht ganz untätig – im Jahr 1995 wurde die «Danish Automobile Building» (DAB) in Silkeborg übernommen, welche bereits ab 1997 eigene Scania-Busaufbauten produzierte und deren Produktion eigener Busmodelle 1999 auslief.
Der Sprung in den Osten
Wesentlich wichtiger war für Scania der Sprung nach Polen: Nur kurz nach dem Zerfall des Ostblocks, im Jahr 1992, ging Scania ein Joint-Venture mit dem polnischen Hersteller Kapena ein. Dieses ermöglichte die Umgehung von Strafzöllen beim Export von Lastwagen in den für westliche Firmen sehr jungen Markt. In Słupsk nahe der Ostsee startete 1993 die Produktion von Lastwagen, gefolgt von Busaufbauten ab 1994. Ab 1996 wurden auch Bus-Chassis hergestellt, und nachdem 2002 die Lastwagenproduktion eingestellt wurde, ist Słupsk heute ein reines Bus-Werk. Seit einer Erneuerung im Jahr 2010 konnten dort bis zu 1‘500 Busse jährlich produziert werden und 2023 wurde das 10‘000. Fahrzeug aus Słupsk geliefert. Mit der Schliessung des Stammwerks in Katrineholm für Serienfahrzeuge im Jahr 2004 (bis 2006 wurden dort noch einzelne Neuentwicklungen und Prototypen gebaut) wurde Słupsk zum einzigen Scania-Buswerk – zumindest vorübergehend.
Nur wenig nach Scania ging auch Volvo den Schritt über die Ostsee und in den wachsenden osteuropäischen Markt. 1995 gründeten Volvo (55%) und die damals noch eigenständige finnische Carrus Oy (45%) die Volvo Bus Poland Company Ltd., welche in Wrocław ein Karosseriewerk aufbaute; ab der Integration von Carrus in Volvo 1998 war Volvo alleiniger Eigentümer der Fabrik, und schrittweise wurden auch die Busentwicklung und weitere Services nach Polen verschoben. Produziert wurden die Chassis weiterhin im schwedischen Borås, und auch im schwedischen Säffle wurden noch bis 2013 die dort entwickelten Karosserien aus verschraubten Aluminiumprofilen gebaut. Dagegen wurden in Polen von Carrus entwickelte geschweissten Stahlkonstruktionen produziert. Erst mit der Schliessung des Werks in Säffle 2013 wurde die Aufbauproduktion komplett nach Polen verlegt, wobei im Bereich der Linienbusse nur noch die Konstruktionen aus Säffle weiterverwendet wurden.
Zurück zu den Wurzeln: Das Ende des Karosseriebaus
Auch nach der Schliessung des Werks in Katrineholm stammten nicht alle Scania-Busse aus Polen: Die finnische Lahden Autokori Oy in Lahti produzierte ab 2007 wiederum Aufbauten, die als Scania-Komplettbusse vermarktet wurden. Mit der Insolvenz des Unternehmens im Jahr 2014 wurde es von Scania aufgekauft und es wurden noch bis 2020 Fahrzeuge in Finnland produziert.
Auch hier gibt es die fast schon selbstverständliche Parallele zu Volvo – der von Volvo übernommene Aufbauhersteller Carrus produzierte nämlich parallel zu Wrocław weiter Aufbauten für Volvo, bis die Schliessung der verbliebenen Werke in Tampere und Lieto per 2008 beschlossen wurde. Das Werk in Lieto wurde von finnischen Investoren übernommen und produzierte unter dem «neuen» Namen Carrus Delta Oy weiterhin Aufbauten für Volvo, insbesondere Nischenvarianten des Volvo 9700 wie Spezialhöhen und Cargo-Busse. Seit 2020 produziert Carrus für Volvo zudem den Doppeldecker 9700 DD.
Seit 2010 werden für Scania auch in China Aufbauten produziert. Der dortige Hersteller Higer produziert den Reisebus «Touring» für Scania und baut weitere Modelle auf Scania-Chassis auf, die zumindest in Europa von Scania vermarktet werden.
Im März 2023 kommunizierte Volvo das Ende des Komplettbus-Baus in Europa, gefolgt von Scania im Mai. Beide Hersteller liessen die Produktion von Aufbauten in Polen im ersten Quartal 2024 auslaufen und geben dafür wirtschaftliche Gründe an – dass diese Gründe durch den Fokus oder Verzicht auf gewisse Entwicklungen auch hausgemacht sind, ist nicht auszuschliessen.
Jedenfalls gibt es hier deutliche Parallelen: Beide Hersteller behalten die Chassis-Produktion in Europa bei – Volvo in Borås, Scania in Słupsk. Und beide Hersteller wollen weiterhin eigene Komplettbusse vermarkten, welche bei Partnern aufgebaut werden. Scania nebst der bewährten Partnerschaft mit der spanischen Irizar primär bei Higer in China, wo schon seit 2023 der Stadtlinienbus «Fencer» aufgebaut wird. Volvo bei der ägyptischen Firma MCV, welche ab 2025 den 7900 electric und den 8900 LE electric (inklusive 15-Meter-Variante) aufbauen wird. Der Doppeldecker 9700 DD sowie die vorletzte Generation des einstöckigen 9700 wird weiterhin bei Carrus in Finnland gebaut. Die angekündigte Produktion der einstöckigen Reisebusse 9700 und 9900 beim spanischen Unternehmen Sunsundegui wurde im Sommer 2024 jedoch gestoppt.
Ob Scania mit der neuen Produktpalette langfristig in der Schweiz Fuss fassen will und kann, ist offen – Volvo hat seine Schlüsse aus den geringen Verkaufszahlen bereits gezogen und die Vertriebsorganisation in den deutschsprachigen Ländern 2023 geschlossen.
Im deutschsprachigen Markt geht mit dem Ende des Komplettbus-Baus auch die Präsenz von Scania und Volvo dem Ende zu – ohne dass deren Absenz dort eine wirkliche Lücke hinterlässt.
Scania: Von den Urgesteinen zum «Omniversum»
Damit wechseln wir zu den Fahrzeugen. Die ersten in den «neuen» Karosseriewerken gebauten Fahrzeuge waren die ursprünglich in Schweden entwickelten und gebauten Fahrzeuge der CN-Reihe; nach rund 10-jähriger Produktion in Katrineholm wurden sie ab 1994 auch in Słupsk gefertigt. Bis zum Produktionsende 1998 wurden die CN-Fahrzeuge in beiden Werken parallel hergestellt.
Im 1995 übernommenen DAB-Werk Silkeborg wurde als Hochflurbus noch bis 1999 der Hochflurbus «DAB Facelift» weitergebaut, welcher eine DAB-Entwicklung war.
Der DAB Facelift war auch Grundlage für den Hochbodenbus «OmniLine» – der Typ wurde ab 2000 in Silkeborg produziert. Bis zum Produktionsende im Jahr 2008 wurde er dann in verschiedenen anderen Werken hergestellt. Neben dem Werk in Słupsk wurden die Karosserien auch bei Drittfirmen in Auftrag gegeben.
Punkto Design stand für den OmniLine die bereits zuvor lancierte LE/Niederflur-Baureihe Pate: Ab 1996 wurden in Silkeborg der Niederflurbus OmniCity und der LowEntry-Bus OmniLink produziert. OmniCity und OmniLink waren eine technische Neuentwicklung mit Aluminium-Gerippe und haben mit den dänischen Wurzeln der DAB-Konstruktionen kaum etwas gemeinsam. Die Busse wurden zu Beginn in Silkeborg (bis 2000) und Katrineholm (bis 2004) produziert und ab 1999 auch in Słupsk, wo die Produktion 2013 auslief. Sie erreichten vor allem in Schweden, Norwegen und Dänemark hohe Verbreitungszahlen, gelangten aber nicht zuletzt in rund 300 Stück nach Paris sowie als Rechtslenker ins Vereinigte Königreich, wo etwa 650 OmniCity und OmniLink ausgeliefert wurden.
Für den britischen Markt wurde auch eine Doppelstock-Version des OmniCity gebaut, welche mit über 500 produzierten Fahrzeugen ebenfalls eine gute Verbreitung auf der Insel erreichte. Parallel dazu produzierte East-Lancs auf Scania-Chassis ein optisch ähnliches Modell (genannt «OmniDekka»), welches bei den über 500 Fahrzeugen nicht eingerechnet ist.
Sowohl OmniCity als auch OmniLink waren in verschiedenen Längen vom Midi- über den Standardbus bis hin zum Gelenkbus verfügbar, wobei der Midibus dem Niederflurbus und der dreiachsige Solobus dem Low Entry vorbehalten blieb. Antriebsseitig waren (Bio-)Diesel- und Gasmotoren verfügbar.
Im Schweizer Markt konnten sich die «Omnis» – anders als in den romanischen Nachbarländern Italien und Frankreich – nicht durchsetzen. Ein einziger Scania OmniCity wurde an die Firma Lanz in Huttwil ausgeliefert, welche den Bus für den Regionalverkehr Mittelland einsetzte. Zudem existierte mindestens kurzzeitig ein weiterer Wagen beim Busbetrieb Seetal-Freiamt – zu diesem Fahrzeug sind der Redaktion allerdings keine Details bekannt. Der verbliebene Schweizer Karosseriebauer Hess AG aus Bellach baute jedoch ab der Jahrtausendwende zahlreiche Stadtbusse auf Chassis von Scania vor allem für die Zugerland Verkehrsbetriebe, die regionalen Verkehrsbetriebe Baden-Wettingen (RVBW), den Busbetrieb Aarau, die Verkehrsbetriebe Luzern (als einziger grösserer Besteller der Midi-Version) und in kleineren Zahlen auch für andere Busbetriebe auf.
OmniExpress – die finnischen Scanias
Ab 2007 gelangte in Zusammenarbeit mit der Lahden Autokori Oy aus dem finnischen Lahti der Reisebus OmniExpress zur Ablieferung. Dieser erste «eingekaufte» Reisebus sollte die Omni-Reihen am oberen Ende der Skala ergänzen, weist jedoch im Gegensatz zu OmniLine, -City und -Link keine gemeinsamen Designelemente auf.
Der Bus wurde in drei Höhenvarianten produziert: 3.20, 3.40 und 3.60 Meter Gesamthöhe mit entsprechend unterschiedlichen Bodenhöhen und Gepäckraum-Volumen waren erhältlich. Der tiefste OmniExpress löste dabei fliessend auch den OmniLine ab, dessen Produktion 2009 eingestellt wurde.
Die Fahrzeuge fanden ausserhalb der nordischen Heimmärkte kaum Abnehmer, wobei die Flotte von 60 OmniExpress 3.60, die 2013 nach der Liberalisierung des Fernverkehrs in Deutschland an die Subunternehmer des ADAC-Postbus geliefert wurde, erwähnenswert ist.
Mit dem OmniExpress 3.2LE wurde ab 2014 auch ein Low-Entry-Fahrzeug der OmniExpress-Reihe angeboten, das in Konkurrenz zum OmniLink-Nachfolger Citywide LE stand – der Bus wurde nur von 2014 bis 2017 produziert (ab 2015 auch in Słupsk) und vor allem in die nordeuropäischen Länder geliefert. Optisch angelehnt an den «hohen» OmniExpress, handelte es sich technisch um ein Facelift des «Scala», einer Lahti-Eigenentwicklung, die 2014 mit Übernahme der insolventen Lahden Autokori Oy ins Scania-Programm gelangte.
Citywide und Interlink – die zweite echte Scania-Generation
Ab 2011 wurden die OmniCity und OmniLink durch eine neue Generation von Scania-Bussen abgelöst – unter dem Namen Citywide waren nun sowohl die LE- als auch die Vollniederflur-Variante als Stadtbusse betitelt. Es handelte sich um ein Facelift ihrer Vorgänger mit Aluminium-Gerippe. Die Busse wurden von Anfang an in Słupsk produziert und auch in verschiedenen alternativen Varianten wie CNG und Hybrid angeboten.
Dank der aktiven Verkaufsorganisation gelangen weiterhin auch Verkaufserfolge in Mittel- und Südeuropa. Auch in der Schweiz konnte mit der Bauart ein Treffer gelandet werden – die Verkehrsbetriebe Vevey-Montreux-Chillon-Villeneuve (VMCV) ersetzten ab 2018 praktisch ihre ganze Flotte durch Scania Citywide, wobei es sich bei zehn der 28 Busse um die nachfolgende Generation Citywide NBA handelt. Weitere Abnehmer waren der Postauto-Unternehmer Schwizer aus Goldach (3 LE-Hybridbusse), der Busbetrieb Seetal-Freiamt sowie Limmatbus.
Ansonsten blieb der Citywide wie seine Vorgänger insbesondere ein in Nordeuropa verbreitetes Modell – vor allem in der LE-Variante, die abgesehen von den absoluten Grossstädten auch im Stadtverkehr in Skandinavien traditionell die Nase vorne hat.
2017 wurde mit dem «Citywide suburban LE» auch der OmniExpress 3.2LE in die Citywide-Reihe übernommen und aktualisiert. Der tiefere Sinn dieser «Doppel-LE-Strategie» bestand wohl in erster Linie in der Befriedigung der finnischen Kunden, die auch Hauptabnehmer des Fahrzeugs waren. Trotzdem gelangen hier einzelne Verkäufe in die Schweiz: Ein Fahrzeug mit reinem Dieselantrieb stand von 2018 bis 2021 in Engelberg im Sportbusverkehr, ein weiteres in Hybrid-Ausführung fährt bei den VBZ als Fahrschulwagen und zwei Fahrzeuge, ebenfalls in Hybrid-Ausführung, sind bei PostAuto in Gland im Einsatz.
Der Interlink als neuer Reisewagen
Ab 2016 wurde in Lahti der Scania «Interlink» produziert – als Facelift des OmniExpress wurde der Bus von 2016 bis 2020 wiederum in 3 Höhenvarianten europaweit angeboten – auch mit diesem Fahrzeug gelang der grosse Durchbruch in Mitteleuropa nicht. Allerdings hat mit einem einzigen verkürzen Fahrzeug bei Bus Val Müstair GmbH sogar ein Fahrzeug den Weg in die Schweiz gefunden.
Citywide und Interlink NBA – eine Neuentwicklung als Abschluss
Ab 2019 gelangte schliesslich der Nachfolger des Citywide zur Ablieferung – unter der Bezeichnung Citywide NBA LE bzw. Citywide NBA LF wurde eine vollständige Neuentwicklung mit Stahlgerippe ausgeliefert, welche im letzten verbliebenen Aufbauwerk in Słupsk von den Bändern rollte. Dank eines konstruktiv durchaus bemerkenswerten Baukastensystems konnte eine auf dem Markt bisher nicht gesehene Typenvielfalt aus der Kombination von Bauart (NF, LE), Länge (in 10-cm-Schritten wählbar) und Antriebsart (Diesel, Gas, Dieselhybrid, batterielektrisch) angeboten werden.
Die Fahrzeuge gelangen auch wieder in der Schweiz zur Ablieferung: Die VMCV beschafften nach ihrer grösseren CityWide-Bestellung wiederum eine grössere Serie von zehn Fahrzeugen mit Diesel- und Gasantrieb. Als Batteriebus konnte das Modell an BSU/RBS, RVBW und PostAuto verkauft werden. Ein Einzelstück mit Dieselantrieb wurde nach Engelberg geliefert. Als einige der letzten produzierten Fahrzeuge übernahm PostAuto im ersten Halbjahr 2024 vier dreiachsige LE-Fahrzeuge.
Auf Basis dieser Niederflurbusse wurde mit dem Interlink NBA ab 2022 auch wieder ein Hochboden-Überlandbus produziert, nachdem sich dies als Sortimentslücke erwiesen hat. Trotz der nur sehr kurzen Produktionsdauer konnte ein Fahrzeug an die örtliche PostAuto-Unternehmung im Val Müstair verkauft und 2024 ausgeliefert werden.
Trotz grossen Investitionen in die neue Baureihe und einem wegweisenden Baukastensystem hat sich Scania für die Einstellung der Produktion entschieden. Der rasche Rückzug erwischte den einen oder anderen Betreiber auf dem falschen Fuss – so wären etwa bei Postauto noch weitere Fahrzeuge aus einem Rahmenvertrag abrufbar gewesen, wozu durchaus auch die Absicht bestand.
Volvo: Die ersten Stadt- und Regionalbusse aus Säffle und Steyr
Damit kommen wir zum schwedischen Mitbewerber Volvo und springen zurück in die 1990er-Jahre: Die ersten als Volvo-Komplettbusse vermarkteten Fahrzeuge stammen aus dem übernommenen Karosseriewerk in Säffle. Mit dem Säffle 2000 (LE- und Hochbodenbus, ab 1991) und dem Säffle 5000 (ab 1995) wurde die Palette der Stadt- und Regionalbusse abgedeckt. Die Fahrzeuge basieren auf Säffle-eigenen Konstruktionen aus verschraubten Aluminiumprofilen und wurden ausserhalb des skandinavischen Markts nicht aktiv angeboten. Nebst dem Werk Säffle wurden sie von 1995-2001 auch im dänischen Aabenraa (unter dem Namen Aabenraa 5000) produziert.
Auch die Nachfolgemodelle der Säffle-Bauarten waren in erster Linie für den skandinavischen Markt gedacht und fanden ausserhalb praktisch nur als Occasionen Verbreitung. Der Volvo 8500 als LowEntry- und Hochbodenbus wie auch der 7500 als Niederflurbus waren ausserhalb Skandinaviens Aussenseiter, wenn auch immerhin im Occasionseinsatz durchaus zu finden.
Ab 1994 wurde auch im übernommenen Steyr-Werk in Wien ein Niederflurbus produziert – fast zeitgleich mit dem Säffle 5000 wurden hier für den österreichischen Markt Niederflurbusse der Bauart Steyr SN12 produziert, welche, mit Volvo-Logo versehen, auch gelegentlich exportiert wurden. Vorübergehend standen auch in der Schweiz zwei Fahrzeuge im Einsatz: Sie wurden gebraucht angekauft und standen von 2005 bis 2007 im Einsatz. Die Produktion dieser Bauart endete 1999. Die Nachfolgereihe 7000/7700 war Basis für den Siegeszug der Fahrzeuge aus Polen.
Volvo-Busse aus Deutschland und Finnland
Für die Entwicklung einer Reisebus-Bauart wurde vor allem auf die 1992 angekaufte Firma Drögmöller im deutschen Heilbronn gesetzt. Mit dem B12-500 (ab 1992) und B12-600 (ab 1995) wurden auch Komplettreisebusse in Deutschland produziert. Die beiden Modelle wurden ab 2001 vom Volvo 9900 abgelöst, der bei verschiedenen Aufbau-Herstellern in unterschiedlichen Ausführungen produziert wurde.
Die Partnerschaft mit Carrus (ab 1995) brachte auch Volvo-Fahrzeuge aus Finnland. Teil des Volvo-Programms wurden so der Carrus City U (Niederflurbus, 1995-2000), Carrus Vega (LE und Hochflur, 1997-2001), Star (1995-2002) und Vector/Regal (1995-2002). Diese Fahrzeuge waren die «Keimzelle» der ab 1997 in Wrocław produzierten Fahrzeugfamilien.
Die Linienbusse aus Polen
Ab 1997 begann in Wrocław die Produktion neu entwickelter Volvo-Fahrzeuge mit dem Volvo 7250 respektive B10-400, der auch in Heilbronn produziert wurde. Die Bauart, basierend auf dem Carrus Vega, wurde nur während vier Jahren produziert, gelangte aber in dieser Zeit auch in die Schweiz, wo sie vor allem im Wallis und Waadtland an diverse PostAuto-Unternehmer und -Betriebsstellen abgeliefert wurden. Insbesondere die kürzeste Bauart mit war den Anforderungen in der Schweiz durchaus angepasst, war sie doch kürzer und wendiger als die Setra S313UL. Eine weitere Verbreitung scheiterte nicht zuletzt auch am Neoplan Transliner, dessen grösseres Variantenspektrum bis hin zum schmalen Bergbus gemäss den angestammten Postauto-Baugrössen ein gutes Verkaufsargument war.
1999 folgte der Niederflurbus Volvo 7000 als Nachfolger des Steyr SN12 sowie des Carrus City – der Bus wurde schon ab 1998 von Carrus in Vantaa produziert (bis 2001) – in Wrocław lief der Bus bis 2012 vom Band, wobei im Jahre 2003 die Bezeichnung zu 7700 wechselte. Im Gegensatz zu den Aluminium-Konstruktionen aus Säffle handelt es sich um günstigere Stahl-Konstruktionen.
Der Bus war der eigentliche Türöffner für Volvo und war in ganz Europa zu finden; gerade auch im preissensiblen osteuropäischen Markt konnte Volvo mit den Fahrzeugen punkten, nicht zuletzt mit grösseren Serien in der Produktionsstadt Wrocław. Während man zu Zeiten des 7000 in der Schweiz noch eher skeptisch war und ausser in Genf noch Volvo-Chassis mit Hess-Aufbauten bevorzugte, änderte sich das mit dem Facelift zum 7700, der auch an einige Verkehrsbetriebe als Komplettbus ausgeliefert wurde. Im skandinavischen Heim-Markt indes bevorzugte man noch länger die Fahrzeuge aus den dortigen Produktionsstätten.
Auch mit alternativen Antrieben wurde der Volvo 7000 und 7700 produziert. Neben den allgegenwärtigen Gas-Varianten wurden für das österreichische Linz Trolleybusse produziert. In den späteren Jahren wurden vermehrt auch Hybrid-Busse hergestellt, welche sich dank attraktiver Leasing-Angebote auch bei ansonsten wenig Volvo-affinen Kunden verbreiteten.
2001 tauchte mit dem 8700 die erste komplette Überlandbus-Familie von Volvo aus Polen auf dem Markt auf, welche sowohl Hochflur- als auch LE-Fahrzeuge umfasste. Ebenfalls in Stahl-Bauweise gebaut, wurde der leistungsstarke Bus zum Verkaufsschlager und verbreitete sich auch in Mitteleuropa, insbesondere in der LowEntry-Bauweise. Ab 2002 beschaffte Postauto den Fahrzeugtyp in grösseren Stückzahlen sowohl als Hochflurbus (bis 2007, jeweils mit einzelnen Nachzüglern) wie auch als LowEntry-Bus (bis 2011). Auch auf dem skandinavischen Markt konnte sich der Bus – dort vor allem mit Hochboden – stärker durchsetzen als seine niederflurigen Geschwister, zumal er bis 2008 auch durch Carrus im finnischen Tampere produziert wurde.
Reisebusse aus Deutschland, Polen und Finnland
Im Reisebus-Markt positionierte man sich ab 2001 mit dem Volvo 9700, der in Finnland und Polen in zahlreichen Untervarianten produziert wurde und auf den Reisebus-Konstruktionen von Carrus basierte. Zeitgleich wurde, basierend auf den Konstruktionen von Drögmöller, der 9900 mit Theaterbestuhlung als Nachfolger des B12-600 angeboten, dessen Bau aber schon 2005 mit der Schliessung des Werkes in Heilbronn wieder eingestellt wurde. 2007 folgte dann ein neuer 9900 mit Theaterbestuhlung basierend auf der Carrus-Konstruktion. Ab 2010 wurde der 9500 als kostenbewusste Version des 9700 angeboten. Sowohl die zweite Generation des 9900 als auch der 9500 wurden beide nur in Wrocław produziert. Übrigens verfügte auch der 9700 in einigen Variationen über eine Theaterbestuhlung, die allerdings von aussen aufgrund der nicht angepassten Fensterlinie nicht erkennbar ist.
Die neuste Baureihe: Endlich ein einziger Volvo!
Erst 2011 endete die Zeit der parallel verfügbaren Volvo-Baureihen für den Linienverkehr. Mit dem Volvo 8900 wurde ein neuer Hochflur- und LE-Bus als Nachfolgemodell von 8500 und 8700 präsentiert, mit dem 7900 die neue Niederflur-Baureihe als Nachfolgemodell von 7500 und 7700. Mit ihren verschraubten Aluminium-Karosserien sind diese Weiterentwicklungen der Säffle-Baureihen 7500 und 8500, wurden jedoch von Anfang an sowohl in Säffle und Wrocław produziert. Ab 2013 verlagerte sich die Produktion mit der Schliessung des Werks in Säffle vollständig nach Polen.
Der 8900 war wie die Vorgänger 8500 und 8700 sowohl als Hochboden- wie auch als LE-Bus erhältlich und konnte sich am Markt europaweit gut verbreiten. Zeitweise gelangte der Bus als Konkurrenzprodukt zum Platzhirsch Iveco Crossway auch auf den PostAuto-Beschaffungskatalog, von 2017 bis 2020 wurden über 100 Fahrzeuge in die Schweiz abgeliefert. Mit ein Grund dafür war wohl auch die Möglichkeit, die Fahrzeuge auch in einer praktischen Zwischenlänge von 11.20 Metern zu beschaffen.
Der 7900 wurde von Volvo in erster Linie als Bus mit alternativen Antrieben vermarktet. Die Diesel-Variante wurde nach weniger als 100 produzierten Fahrzeugen 2013 vom Markt genommen und man positionierte sich im Stadtverkehr ausschliesslich als Anbieter alternativer Antriebe. Die offensive Strategie, Hybrid-Fahrzeuge zu sehr günstigen Preisen an Verkehrsbetriebe für wenige Jahre zu verleasen und anschliessend wahlweise zurückzunehmen oder an die Betriebe zu verkaufen, führte zu einem zeitweise relevanten Marktanteil der Hybrid-Variante in der Schweiz und im benachbarten Ausland. Rund 230 Fahrzeuge wurden in die Schweiz abgeliefert, insbesondere an die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) und an Bernmobil. Darunter sind auch Fahrzeuge Bauart «Plug-in-Hybrid» für die Stadt Zürich mit zusätzlichem elektrischem Ladeanschluss und grösserer Batterie.
Durch das offensive Anbieten und die konsequente Weiterentwicklung der Hybrid-Technologie konnte sich der 7900 Hybrid als einziger zuverlässiger und wirklich effizienter Hybridbus am Markt behaupten. Angesichts dieser Erfolgsgeschichte erstaunt es, dass der zwischenzeitlich klar erkennbare Trend vom Hybrid- zum reinen Batteriebus von Volvo sehr stiefmütterlich behandelt wurde. Es wurde schon früh zwar eine elektrische Version des 7900E präsentiert, deren Konfigurationsmöglichkeiten hinsichtlich Batteriekapazitäten und Ladesystemen allerdings gegenüber der Konkurrenz sehr eingeschränkt waren und das Modell scheinbar von Volvo auch nur bei ausgewählten Ausschreibungen offeriert wurde. So konnte sich die elektrische Version nie am Markt durchsetzen – er blieb letztlich ein E-Bus unter vielen und konkurrierte direkt mit den flexibleren und ausgereifteren Modellen von MAN, Mercedes-Benz, Solaris, Iveco und weiterer, teilweise neuer Hersteller auf dem Markt. Letztlich schafften es Ende 2022 vier 7900E als Standardbusse in die Schweiz, sie werden durch Travys im Stadtverkehr in Yverdon-les-Bains eingesetzt.
Die letzten Reisebusse
Während man im Linienbus-Segment bis zuletzt der traditionellen Bauweise mit Chassis und Karosserie treu blieb, wurden ab 2018 im Reisebusbereich integrale Fahrzeuge eingeführt. Sowohl der Volvo 9700 als auch der 9900 wurden als komplette Neuentwicklung ab 2018 in Wrocław als Komplettbusse produziert. Anschliessend wurde noch der Volvo 9700DD in das Angebot aufgenommen, der jedoch in Kooperation mit der finnischen Carrus Delta Oy gebaut und weiterhin auf einem Chassis aufgebaut wird. Interessanterweise wurde die Produktion der vorletzten Generation des einstöckigen 9700 für die nordischen Märkte bei Carrus nie gestoppt und besteht auch heute noch.
Abgerufen im Jahr 2024:
- Carrus, forums.rilpedia.org
- Datenbank von phototrans.eu
- Datenbank von svenskbusshistoria.se
- Diverse Wikipedia-Artikel zu Scania und Volvo, deren Modelle sowie den übernommenen Aufbauherstellern
- Environmental pressure in fragmented markets: the fall and rise of bus makers in Poland, Krzysztof Gwosdz, Robert Guzik, Boleslaw Domański, 2011
- European Restructuring Monitor (ERM), Volvo Buses, March 2023
- HISTORY OF SCANIA PRODUCTIONSŁUPSK SA, Webseite Scania Production Slupsk
- Industriemagazin: Volvo verlegt Bus-Produktion nach Polen, 04.12.2012
- Our story, Webseite von Carrus Delta Oy
- Scania Production Slupsk, Facebook-Page
- Scania reshapes its bus and coachbusiness, Pressemitteilung, 30.05.2023
- Scania’s Omni Katrineholm AB to relocate busoperations from Katrineholm, Sweden to Poland, m2.co.uk., 29.09.2003
- Struggles over legitimacy in global organizational restructuring: The Case Shutdown of Carrus, Niina Erkama, Eero Vaara, 2009/2010
- The story of Volvo, Webseite von Volvo Group
- Volvo Annual Report 1997
- Volvo Buses changes business model in Europe, Pressemitteilung, 16.03.2023
- Von einem Besuch bei Volvo Polska Wroclaw, busportal.cz, 10.07.2005
Silvan Pleisch
Silvan Pleisch ist seit 2023 Autor von ÖV Panorama und wohnt in Zürich. Er beschäftigt sich beruflich und in der Freizeit mit dem öffentlichen Verkehr und befasst sich neben der Fotografie häufig mit (fahrzeug-)technischen Fragestellungen.