Mit drei Kleinbussen fährt die Firma Kander Reisen aus Frutigen im Auftrag einer Bergbauerngenossenschaft von Kandersteg ins Gasterntal. Damit bringt man hauptsächlich Wanderer zum Lötschenpass – Tal und Buslinie sind aber auch so höchst interessant!
Ein Bericht von Jonas Schaufelberger (Text und Fotos).
Die Schweizer Alpen waren stets ein Hindernis im Verkehr zwischen Norden und Süden; egal, welche Stämme, Völker und heute Länder auf den beiden Seiten hausten, das Bedürfnis, das Gebirge zu überqueren, existierte. Es gibt Belege, dass der Lötschenpass, welcher vom Gastern- ins Lötschental und somit vom Berner Oberland ins Oberwallis führt, schon in prähistorischer Zeit begangen war. Die erste schriftliche Erwähnung des Passes datiert auf 1352.
Doch während über andere Pässe heute Autobahnen, Schnellstrassen oder spektakuläre Bahnlinien führen, ist der Lötschenpass mit seinem noch heute abschnittweise existierenden Saumpfad bis dato den Fussgängern vorbehalten – die Eisenbahn durchquert den Berg mehr als tausend Meter tiefer gleich zweimal. Mit dem Lötschenpass blieb auch das Gasterntal von grossen zivilisatorischen Eingriffen verschont – dass es trotzdem mit dem öffentlichen Verkehr erschlossen ist, verdankt es nicht zuletzt den wirtschaftlichen Nachwehen des ersten Weltkrieges.
Eine technische Meisterleistung
In der Wirtschaftskrise nach dem ersten Weltkrieg war es üblich, Arbeitslose zu beschäftigen, indem man sie für Projekte für die Allgemeinheit einsetzte. Eines davon war der Bau einer Fahrstrasse von Eggenschwand bei Kandersteg durch die «Chluse» genannte Engstelle ins Gasterntal – Hauptzweck des Baus war wohl die motorisierte Erschliessung der verschiedenen Alpen im Tal und weniger die Förderung des nach dem Krieg zunächst brachliegenden Bergtourismus. Die Strasse wurde über weite Abschnitte in den Fels gehauen und mit waghalsig angelegten Stützmauern gesichert; des Weiteren umfasst sie zwei Tunnels.
Direkt nach Durchquerung der Schlucht öffnet sich das Tal – und die Fahrt geht weiter über eine Schotterpiste bis in den Weiler Selden, dem Ausgangspunkt für die Wanderung über den Lötschenpass. Zwei Berggasthäuser sind dort angesiedelt – ein weiteres liegt oberhalb der Klusenstrasse auf halbem Weg von Kandersteg hierhin, ein viertes eine gute Wanderstunde hinter Selden. Nebst Passwanderern beherbergen die Gasthäuser natürlich auch Gäste, welche die Ruhe und Natur im Tal geniessen wollen – und die hat es in sich: Weder befestigte Strassen noch Wasserkraftwerke stehen der Natur hier im Weg. Seit 2012 ist der zentrale Abschnitt des Tals, bereits zuvor als Landschaft sowie Auengebiet von nationaler Bedeutung klassiert, streng geschützt als eine der letzten und grössten natürlichen Auen der Schweiz.
Busbetrieb mit Hindernissen
Das macht freilich die Erschliessung der Landschaft nicht nur einfacher: Im Talboden ist eine verlässliche Strassenführung unmöglich, zu oft würde sie durch die mäandernden Gewässer weggespült. Am Rand in leicht erhöhter Lage, wo die Strasse meist entlangführt, drohen Murgänge und Felsstürze aus den vom Doldenhorn steil abfallenden Runsen. Trotzdem sind längere Betriebsunterbrüche relativ selten: da über die Bäche keine Brücken, sondern nur Furten führen, gibt es auch bei Unwettern keine grösseren Schäden, es reicht, das in der Furt abgelagerte Geröll wegzuräumen.
Dass auf einer solchen Strecke nur Kleinbusse verkehren können, versteht sich von selbst. Als Betreiber amtet seit 1979 die Firma Kander Reisen aus Frutigen; zuvor war (ab der Eröffnung der Linie im Jahr 1962) Reiseunternehmer und Hotelier Schwitter aus Kandersteg im Einsatz. Kander Reisen setzt heute drei Kleinbusse der Bauart Renault Master ein – sie wurden 2003 beschafft und werden ausserhalb der kurzen Saison auch im übrigen Reiseverkehr verwendet. Ohnehin ist die Firma für den Busbetrieb, der seit 2010 aufgrund der nicht gegebenen Erschliessungsfunktion (das Gasterntal ist nur im Sommer bewohnt) kantonal anstatt eidgenössisch konzessioniert ist, so etwas wie die «Schaltzentrale»: Hier laufen an Spitzentagen die Telefone heiss, wenn sich Wanderer einen Platz auf der reservationspflichtigen Linie sichern wollen. Faktisch ist die Firma aber nur Transportbeauftragte, denn die Konzession der Linie wird seit 1979 jeweils an die Bäuert Gastern, die lokale Bergbauerngenossenschaft, ausgestellt, welche auch gleich Besitzerin der befahrenen Strasse ist. Als kantonale Konzessionärin müsste die Bäuert ihren Fahrplan eigentlich nicht zwingend publizieren – da dies aber auch freiwillig möglich ist und im Gegenzug die Buskurse auch in den Online-Medien auftauchen, wird dies jedoch weiterhin so gehandhabt.
Jonas Schaufelberger
Jonas Schaufelberger ist Mitgründer von ÖV Panorama und wohnt in Rapperswil-Jona. Er beschäftigt sich beruflich und in der Freizeit mit dem öffentlichen Verkehr und dokumentiert mit seiner Website www.postautohalter.info seit 2009 Fahrzeuge und Linien des "gelben Riesen". Daneben liegt sein Schwerpunkt auf dem Überland-Busverkehr in der Schweiz, wobei er (wie auch bei seinen gelegentlichen fotografischen Exkursen nach Nord- und Osteuropa) stets per ÖV oder zu Fuss unterwegs ist.