Mitten im zweiten Weltkrieg begann die Familie Schneider in Ermenswil mit dem Linienbusbetrieb. Heute binden die fast weissen Linienbusse eine ganze Region an den Grossraum Zürich an – immer häufiger sogar im Viertelstundentakt.
Ein Bericht von Jonas Schaufelberger (Text und Fotos).
Dass im Jahr 1923 mit der Einführung der PostAuto-Linie Uznach–Rüti über St. Gallenkappel und Eschenbach die Postkutschenverbindung Rapperswil–Eschenbach ersatzlos aufgegeben wurde, führte entlang der Rickenstrasse zu Verstimmungen, fehlte doch nun die Verbindung zur Stadt Rapperswil am Zürichsee mit ihren Arbeitsplätzen und ihrer Zentrumsfunktion für die Region – auch als Bindeglied zur Bahnverbindung entlang dem Zürichsee nach Zürich.
So erstaunt es nicht, dass die Gemeinden bald schon beim Bund vorstellig wurden, um die verlorene Verbindung wieder zu erhalten. 1938 lehnte zwar die Oberpostdirektion die Einführung einer Postautolinie auf dem Abschnitt ab; 1946 wurde dann immerhin die Konzession für eine Buslinie Rapperswil–Eschenbach–Ermenswil–Rüti erteilt, wenn auch mit der Bedingung, die Linie auf eigene Rechnung zu betreiben.
Die ersten Schneider-Busse
Als Konzessionär der Linie amtete der Verkehrs- und Verschönerungsverein Rapperswil-Jona, und Albert Schneider, Transportunternehmer bereits in dritter Generation und Gemeinderat in Eschenbach, übernahm den Betrieb. Rapperswil gewann damit eine Busverbindung ins benachbarte (und noch bis Ende 2006 von Rapperswil unabhängige) Jona, ins zu Jona gehörige Dorf Wagen und nach Eschenbach. Für Eschenbach war daneben auch der Arbeitertransport in die Federnfabrik Baumann in Ermenswil und in die Maschinenfabrik Rüti wichtig, welchen die Postautolinie mit ihren ungünstigen (da auf Uznach ausgelegten) Fahrzeiten nicht abdecken konnte. Entsprechend gut wurde die Buslinie aufgenommen und der Fahrplan laufend ausgebaut; 1952 wurde schliesslich die parallele Postautoverbindung zwischen Rüti und Eschenbach ganz aufgegeben.
Der Betrieb der neuen Linie erfolgte von Beginn an kostendeckend; aus heutiger Sicht kaum noch vorstellbar. Erst die zunehmende Motorisierung der Bevölkerung und das aufgekommene Bedürfnis der Gemeinden, auch in Randstunden mit schwachen Frequenzen ein gutes Busangebot anzubieten, führten ab den Siebzigerjahren dazu, dass Zuschüsse der öffentlichen Hand notwendig wurden.
Die ersten Gelenk- und Ortsbusse
Im Jahr 1971 wurde erstmals ein Gelenkbus angeschafft; drei Jahre später, 1974, wurde erstmals ein Ortsbus-Angebot in Rapperswil und Jona gefahren. Ziel der Verbindung war das so genannte Südquartier zwischen dem Obersee und der Bahnlinie Rapperswil–Uznach, wo um den Weiler Busskirch ab den 1940er-Jahren erste Einfamilien- und Reihenhausquartiere entstanden und in den 1960er-Jahren ungeachtet der Stadtgrenze zwischen Jona und Rapperswil erste Wohnblocks entstanden.
Weitere Ortsbusse wurden 1991 mit dem «Hanfländer-Bus», einem Kleinbus ab Rapperswil über das gleichnamige Quartier bis zur Joner Tägernau, sowie 2001 mit dem Lenggis-Bus ab Rapperswil über Kempraten, Lenggis und das Wohnheim Balm nach Jona, eingeführt. Selbstverständlich wurden diese durch die Familie Schneider betrieben, inzwischen seit 1974 als Familien-AG organisiert und 1989 ins neue Betriebsgebäude in Ermenswil disloziert. Nach der Fusion von Rapperswil und Jona wurden Anfangs 2007 einige Schneider-Busse ins neue Stadbus-Design umlackiert; dieses währte aber nur kurz: Ende 2008 wurde ein neues Angebot eingeführt und dessen Betrieb zuvor ausgeschrieben. Die O. Schneider AG musste sich in dieser Ausschreibung den Verkehrsbetrieben Zürichsee und Oberland (VZO) geschlagen geben, welche das Netz seither ab ihrem Depot in Rüti betreiben.
Im Stadtverkehr von Rapperswil-Jona betreibt die Familie Schneider seither nur noch die Linie 621 (Rapperswil – Buech Industrie), welche Ende 2017 aus der Stammlinie herausgelöst wurde, und die morgens, mittags und abends das bei der Autobahnausfahrt gelegene Industriegebiet Buech an die Stadt anbindet.
Der Linthbus kommt
Hingegen blieb das Schneider-Netz im Überlandbereich bis 1992 mehr oder weniger unverändert, natürlich von stetigen Angebotsverdichtungen abgesehen. Mit der Einführung des «LinthBus»-Konzeptes wurde dann allerdings einiges neu. Zwei Jahre nach Einführung der Zürcher S-Bahn, welche bereits deutlich schnellere Verbindungen ab Rapperswil, Jona und Rüti nach Zürich und weiter brachte, wurde auch das Busnetz an die neue Zeitrechnung im ÖV angepasst. Für die Firma Schneider hiess das, dass in Eschenbach der neue Bushof «Dorftreff» als Umsteigeknoten zum Postauto nach Uznach und ins Goldingertal eröffnet wurde. Am Treff endete neu auch die ursprüngliche Schneider-Linie aus Rüti; die Strecke Rapperswil–Eschenbach wurde anstelle der früheren Postautolinie über St. Gallenkappel und den Rickenpass bis Wattwil verlängert.
Mit dem neuen Liniennetz hatte die Region eine neue Hauptachse erhalten, deren Frequenzen stetig zunahmen. Unter dem Namen «LinthBus», der an allen Fahrzeugen angeschrieben war, betrieben die Firmen Schneider, PostAuto (ab den Standorten in Uznach und Wald ZH) und Autoverkehr Wesen-Amden (AWA) das Netz bis 2013 unter gemeinsamen Markennamen.
Auch der Fahrzeugpark hatte sich gewandelt: Zu den klassischen Saurer-Autobussen aus Schweizer Fabrikation gesellte sich 1988 erstmals ein Fahrzeug aus dem Hause Mercedes-Benz; nach einem letzten, 1993 angekauften Saurer SH wurden schliesslich für den Linienverkehr nur noch Fahrzeuge mit Stern beschafft.
1999, nur ein Jahr nach dessen Markteinführung, gelangte auch der erste Citaro-Niederflurbus in die Schneider-Flotte. Das klassische blau-weisse Design wich einer Grundlackierung in Weiss mit aus heutiger Sicht wohl als missglückt zu bezeichnenden Farbbändern in der Farbe der Sitzpolster. Kurz zuvor hatte sich auch die rechtliche Lage geändert: Im Jahr 1998 übernahm die Firma die Konzession vom Verkehrs- und Verschönerungsverein Rapperswil in eigener Regie. Damit gehört die Firma zu den ganz wenigen öffentlichen Verkehrsbetrieben der Schweiz, welche unter dem Namen der Eigentümerfamilie auftritt (die meisten Familienbetriebe im Schweizer ÖV sind als PostAuto-Unternehmer ohne eigene Konzession aktiv).
Die steigenden Frequenzen auf der Hauptlinie Rapperswil–Wattwil machten nach der Jahrtausendwende stetige Ausbauten notwendig: Ab Dezember 2006 galt der Halbstundentakt zwischen Rapperswil und St. Gallenkappel von Montag bis Freitag auch tagsüber; seit Ende 2008 wird am Sonntag halbstündlich bis St. Gallenkappel und stündlich bis zum Ricken gefahren. Gleichzeitig wird Wattwil von Montag bis Samstag erstmals ohne Taktlücke stündlich erreicht.
Wieder ein Jahr später wird zwischen Rapperswil und St. Gallenkappel in der Hauptverkehrszeit sogar ungefähr viertelstündlich gefahren; allerdings entsteht dadurch eine Konkurrenz zur Stadtbuslinie 995. Um jener kein Potential strittig zu machen, ist der Viertelstundentakt nicht exakt und die Zusatzkurse fahren den Stadtbussen, welche den exakten 15-Minuten-Takt zu den Stammkursen der Linie 622 herstellen, hinterher.
Das Experiment mit den farbenfrohen Bussen wurde übrigens 2006 beendet; ein zu spät gelieferter Gelenkbus musste so dringend in den Linieneinsatz gebracht werden, dass für die Klebeaktion schlicht keine Zeit bliebt. Der weisse Bus wurde nie «nachgeklebt» und die Farbe Weiss war fortan das Kleid sämtlicher Schneider-Linienbusse – bis der Verfasser dieses Artikels mit einer beläufigen Bemerkung über das unfotogene «Farbkleid» einen Stein ins Rollen brachte…
Der Knoten Uznach wird angebunden
Im Dezember 2009 wird mit Uznach ein zusätzlicher Knoten ins Schneider-Netz eingebunden: Die Verlängerung der Buslinie Rüti – Eschenbach bis ins Städtchen an der Linthebene ermöglicht eine stündliche Bedienung des bisher nur über einzelne Stichfahrten angebundene Industriegebiet Neuhaus. Gleichzeiti fällt allerdings auf den Grundtakt-Kursen der nun mit Nummer 631 bezeichneten Linie die Schlaufe über den Knotenpunk Eschenbach Dorftreff weg, welcher somit seine Knotenfunktion teilweise verliert.
Per Dezember 2013 erfolgt dann die Verknüpfung der Linie 631 in Uznach mit der neuen Kurzlinie nach Kaltbrunn; weil auf letzterer PostAuto Konzessionär ist, gelangen nicht nur Schneider-Busse bis nach Kaltbrunn, sondern im Gegenzug auch Postautos bis Rüti. Die neue Linie erweist sich jedoch bald als instabil: Die Fahrzeit Uznach–Kaltbrunn–Uznach reicht in der Hauptverkehrszeit nicht aus, insbesondere deshalb, weil gegenüber dem ursprünglichen Konzept nicht nur bis ins Dorf, sondern bis zum Weiler Steinenbrücke gefahren wird. Die Verspätungen führen gelegentlich zu Anschlussbrüchen. Selbst die mehrminütige Standzeit in Uznach reicht nicht immer aus, um das Problem zu lösen, und so werden die Verspätungen manchmal bis Rüti übertragen. Derzeit laufen Planungen, um die Verknüpfung in Uznach wieder aufzuheben.
Die Zeichen stehen auf Wachstum – und auf Stau
Den Frequenzen der Linie 631 schadet die teilweise instabile Fahrzeit offenbar nicht besonders. Zusammen mit den beiden Linien nach Rapperswil-Jona steigen die Fahrgastzahlen stetig. Dabei gibt es auch in Rapperswil-Jona ein Handycap für den öffentlichen Verkehr: Die Achse Neue Jonastrasse–St. Gallerstrasse wird in den Hauptverkehrszeiten und während der touristischen Spitzen am Wochenende regelmässig durch den Autoverker nach und durch Rapperswil verstopft – die Verspätungen sind zeitweise so gross, dass die Busse erst am Bahnhof in Rapperswil ankommen, wenn sie bereits wieder die Stadtgrenze Richtung Ricken passiert haben müssten.
Kurzfristige Lösungen wie eine Umgestaltung der Achse zugunsten von ÖV und Langsamverkehr wurden durch die Stimmbevölkerung der Stadt bisher abgelehnt; man setzt die Hoffnung auf einen Tunnel, der bestenfalls in mehr als 15 Jahren, schlimmstenfalls aber (wie der vor rund 10 Jahren schon einmal projektierte und durch die Stimmbevölkerung abgelehnte Stadttunnel) gar nie umgesetzt wird.
Bleibt zu hoffen, dass der Linienverkehr am Ricken darunter nicht zu sehr leidet – und dass die Firma Schneider auch in Zukunft als Ausnahmeerscheinung im Ostschweizer ÖV-Markt ihren Weg geht.
Der Schneider-Linienbuspark umfasst derzeit folgende Fahrzeuge:
- 3 Mercedes-Benz Citaro C2 Compact Hybrid (Nr. 7-9, 2019/2020)
- 2 Mercedes-Benz Citaro C2 (Nr. 2 und 14, 2014/2017)
- 3 Mercedes-Benz Citaro C2G (Nr. 3-5, 2014/2018/2019)
- 1 Mercedes-Benz Citaro C2LEÜ (Nr. 15, 2016)
- 4 Mercedes-Benz Citaro Facelift (Nr. 1, 10-12, 2009/2012)
Wagen 11 und 12 (2009) sind Reserve- und Dispofahrzeuge.
Wagen 15 wird hauptsächlich im Schul- und Gelegenheitsverkehr eingesetzt.
- An Roland Schneider, Schneider Linienbus AG, für die Informationen zur Firmengeschichte und das kritische Gegenlesen.
- An Markus Doyon für die Erlaubnis zur Publikation des Citaro-Fotos.
- An meine Mitredaktoren für den Support.
Jonas Schaufelberger
Jonas Schaufelberger ist Mitgründer von ÖV Panorama und wohnt in Rapperswil-Jona. Er beschäftigt sich beruflich und in der Freizeit mit dem öffentlichen Verkehr und dokumentiert mit seiner Website www.postautohalter.info seit 2009 Fahrzeuge und Linien des "gelben Riesen". Daneben liegt sein Schwerpunkt auf dem Überland-Busverkehr in der Schweiz, wobei er (wie auch bei seinen gelegentlichen fotografischen Exkursen nach Nord- und Osteuropa) stets per ÖV oder zu Fuss unterwegs ist.