Ein Bericht von Julian Ryf (Text und Fotos).
Geschichte
Die Schmalspurbahn Roma–Fiuggi–Alatri–Frosinone verkehrte ursprünglich vom Bahnhof Roma Termini als Vorortsbahn nach Pantano Borghese im Osten der Hauptstadt und weiter auf einer Überlandstrecke nach Fiuggi und Frosinone.
Ihre maximale Ausdehnung erreichte die Strecke nur während 18 Jahren von 1917 bis 1935. Danach wurde der Abschnitt zwischen Fiuggi und Frosinone inklusive der kurzen Stichstrecke nach Guarcino auf Busbetrieb umgestellt, wobei der Abschnitt zwischen Fiuggi und Alatri nur fünf Jahre später reaktiviert wurde. Ende des zweiten Weltkriegs wurde auch die Stichstrecke San Cesareo–Frascati aufgrund von Kriegsschäden eingestellt, danach blieb das Streckennetz bis 1978 fast unverändert in Betrieb. Nur in der Stadt Rom wurde die Strecke 1950 mit der Inbetriebnahme des neuen Endbahnhofs Termini Laziali um ca. 800 m gekürzt, was die Umsteigebeziehungen zu den Zügen der FS und zum Stadtverkehr leider erheblich verschlechterte. 1978 wurde schliesslich der Abschnitt Fiuggi–Alatri zum zweiten Mal und diesmal definitiv aufgrund von Unrentabilität eingestellt.
Anfang der 80er Jahre führten mehrere Naturereignisse in kurzer Folge zur Einstellung weiterer Abschnitte: Am 4. November 1982 führte ein Erdrutsch bei Genazzano zur vorerst vorübergehenden Einstellung des Betriebs zwischen Cave und Fiuggi. Noch vor der Reparatur der Strecke war diese am 26. Dezember 1983 von einem weiteren Erdrutsch betroffen. Daraufhin wurde der Betrieb auf die Strecke Roma Laziali–San Cesareo beschränkt. Nur zwei Monate später, am 25. Februar 1984, wurden die Gleise des Bahnhofs Laghetto durch eine Überschwemmung zerstört. Seither endeten die Züge in Pantano Borghese.
Ende der 90er Jahre wurde der eingleisige Abschnitt zwischen Giardinetti und Pantano Borghese zugunsten einer doppelspurigen Neubaustrecke stillgelegt. Die Eröffnung der neuen Strecke erfolgte am 1. März 2006. Diese war bereits vorbereitet für den zukünftigen Umbau auf Metro-Standard. Da jedoch kurz darauf beschlossen wurde, die neue Linie C als automatische U-Bahn zu bauen, wurde die Strecke zwischen Giardinetti und Pantano bereits am 7. Juli 2008 wieder geschlossen und ein neuer Kopfbahnhof für die Schmalspurbahn in Giardinetti erstellt. Die Bahn wird seither als Ferrovia Roma–Giardinetti bezeichnet.
Der erste Abschnitt der Metro C, welcher die Neubaustrecke zwischen Giardinetti und Pantano nutzt, wurde am 9. November 2014 eröffnet, der zweite Abschnitt bis zur Station Lodi am Rand des Stadtzentrums folgte am 29. Juni 2015. Aufgrund des Parallelbetriebs von Metro und Schmalspurbahn wurde letztere am 3. August 2015 zwischen Centocelle und Giardinetti eingestellt. Vom Bahnhof Centocelle der Schmalspurbahn zur Station Parco di Centocelle der Metro C beträgt der Fussweg rund 500 m. Zwischen der Innenstadt und Centocelle verlaufen die Strecken der Metro C und der Ferrovia Roma–Giardinetti auf unterschiedlichen Korridoren, weshalb die Bahn bis heute überlebt hat.
Am ehemaligen Bahnhof Colonna besteht heute ein kleines Museum mit alten Fahrzeugen der Bahn. Der Ort ist weiterhin über die normalspurige Bahnstrecke Roma–Cassino–Napoli an das Schienennetz angebunden. Die Fahrzeit von Roma Termini bis zur Haltestelle Colonna Galleria beträgt eine knappe halbe Stunde.
Strecke
Die Ferrovia Roma–Giardinetti hat ihren Ausgangspunkt am Bahnhof Roma Termini Laziali, welcher etwa auf Höhe der Perronenden südlich des Bahnhofs Roma Termini liegt. Der erste Kilometer bis zur Porta Maggiore folgt die Strecke der Via Giovanni Giolitti und ist dabei teilweise in die Strasse eingelassen.
Titelbild: Mit Sicherheit das bekannteste Fotosujet entlang der Strecke ist die Porta Maggiore. Dieses ehemalige Stadttor, welches mit der Aqua Claudia und dem Anio Novus zudem gleich zwei für die Versorgung des alten Roms wichtige Aquädukte trug, wird am 9. September 2024 von einem «treno urbano bloccato», bestehend aus dem Triebwagen 420 und den beiden Steuerwagen 062 und 064, auf dem Weg Richtung Centocelle durchfahren.
An der Porta Maggiore bestehen Umsteigemöglichkeiten auf mehrere Tramlinien, deren Gleise hier auch gekreuzt werden. Während die Strassenbahn in Rom mit 600 Volt Gleichstrom verkehrt, ist die Schmalspurbahn mit 1650 Volt Gleichstrom elektrifiziert, auf der Kreuzung kommen die Triebwagen auch mit der tieferen Spannung in Berührung. Direkt an der Haltestelle werden die Bögen des ehemaligen Stadttores unterquert, welches die beiden Aquädukte Aqua Claudio und Anio Novus trägt.
Nachdem die von Roma Termini kommenden Hauptgleise der FS unterquert worden sind, verläuft die Schmalspurbahn bis zur Haltestelle Vilini parallel zu diesen. Zwischen den Haltestellen Porta Maggiore und Ponte Casilina besteht eine Gleisverschlingung, der Rest der Strecke ist doppelspurig ausgebaut.
Nach der Haltestelle Vilini wechselt die Trasse in die Mitte der Via Casilina, wo sie über die heutige Endstation Centocelle bis zur Haltestelle Torre Spaccata verläuft. Centocelle wird dabei nach insgesamt gut sechs Streckenkilometern erreicht. Von Torre Spaccata bis zum Streckenende Giardinetti befinden sich die Gleise in Seitenlage neben der Strasse.
Die Gleis- und Fahrleitungsanlagen auf dem seit 2015 nicht mehr bedienten Abschnitt Centocelle–Giardinetti sind Stand 2024 noch vorhanden und intakt. Auch die Tramsignale an den Kreuzungen sind nach wie vor in Betrieb. Nur ein paar improvisierte Gleissperren am aktuellen Endbahnhof Centocelle deuten darauf hin, dass es hier nicht mehr weiter geht.
Betrieb
Die Züge zwischen Termini Laziali und Centocelle verkehren von 5:30 Uhr bis 22:30 Uhr. Tagsüber wird alle 6 Minuten gefahren, in Randzeiten wird ein 10-Minutentakt angeboten. Die Fahrzeit für die gesamte Strecke beträgt rund 20 Minuten.
Zum Einsatz kommen aktuell drei verschiedene Fahrzeugtypen:
- «Treni urbani bloccati» der Serie 100 (ursprünglich vier Züge) und 420 (ursprünglich acht Züge): Diese Züge wurden zwischen 1959 und 1961 auf der Basis von alten Triebwagen neu aufgebaut. Die Züge der Serie 100 basieren auf Triebwagen von 1941, die der Serie 420 auf solchen von 1926. Bei den meisten Zügen wurde beidseitig ein Steuerwagen angesetzt, der ebenfalls auf der Basis eines alten Wagens aufgebaut wurde. Ein Zug wurde nur zweiteilig ausgeführt. Aktuell befinden sich noch zwei Züge der Serie 100 und vier Züge der Serie 420 in Betrieb. Die beiden Typen sind optisch weitgehend identisch.
- Zweiteilige Gelenktriebwagen der Serie 830 (ursprünglich sechs Züge), hergestellt von Firema 1999. Drei dieser Triebwagen befinden sich aktuell noch in Betrieb.
Von den sechs 1987-1988 ausgelieferten dreiteiligen Firema-Gelenktriebwagen der Serie 820 ist seit 2023 keiner mehr in Betrieb.
Zukunft
Nachdem die Bahn in den letzten Jahrzehnten nach und nach auf die heutige Länge eingekürzt wurde, sieht die Zukunft aktuell wieder erfreulicher aus. Am 8. Juni 2020 sprach das Ministerium für Infrastruktur und Transport 213 Mio. Euro für die Erneuerung und Umspurung der Bahn auf 1445 mm, so dass diese zukünftig ins Strassenbahnnetz von Rom integriert werden kann.
Die Strecke soll vom derzeitigen Streckenende im Nebenbahnhof Termini Laziali wieder um rund 470 m bis zum Bahnhof Termini verlängert werden, um gute Umsteigebeziehungen zur Bahn wie auch zu anderen Nahverkehrs-Linien zu schaffen. Auch am anderen Streckenende soll die Linie verlängert werden: Die Strecke Centocelle–Giardinetti soll reaktiviert werden und ab Giardinetti ist eine rund 3.6 Kilometer lange Neubaustrecke zur Universität Tor Vergata geplant. Das Depot für die 22 neuen Fahrzeuge soll auf dem Gelände des heutigen Depots der Bahn in Centocelle entstehen. Die Teilstrecke zwischen den Haltestellen S. Bibiana und Ponte Casilino soll zukünftig aus Rücksicht auf die historischen Bauwerke ohne Fahrleitung im Batteriebetrieb zurückgelegt werden. Auf diesem Abschnitt liegen sowohl der Tempel der Minerva Medica wie auch die Porta Maggiore.
Der Baustart der neuen Tramlinie ist für Ende 2025 vorgesehen, die Eröffnung für März 2029.
- Der sehr ausführliche italienische Wikipedia-Artikel zur Bahn: https://it.wikipedia.org/wiki/Ferrovia_Roma-Fiuggi-Alatri-Frosinone
- Das neue Tramprojekt auf der Website von Roma Mobilità: https://romamobilita.it/it/progetti-pums-piano-urbano-mobilit-sostenibile/progetti-realizzazioni/termini-giardinetti-tor
- Das neue Tramprojekt auf der Website von Odissea Quotidiana, einem Blog über den öffentlichen Verkehr in der Region Rom: https://www.odisseaquotidiana.com/2024/04/progetto-definitivo-tramvia-TTV-VIA.html
- Die Website des kleinen aber feinen Bahnmuseums in Colonna: https://www.ferroviamuseo.it/
Alle Artikel abgerufen am 27.11.2024
Julian Ryf
Julian Ryf ist seit 2023 Autor von ÖV Panorama und wohnt in Bern. Seit 2013 fotografiert er öffentliche Verkehrsmittel und insbesondere Eisenbahnen. Dabei ist er fast immer mit dem ÖV und zu Fuss unterwegs.